Der vermenschlichte Hund

„VermenschlichterMan kann ihn wie einen Menschen kleiden, doch den Hund wie einen Menschen zu behandeln, ist einer der größten Fehler, den Hundehalter machen können. Wir klären, wie Hunde die Zuneigung des Menschen aufnehmen und mit welchen nett gemeinten Gesten oder Verhaltensweisen des Menschen der Hund nichts anfangen kann.

Menschen und Hunde sind anders veranlagt

Die menschliche Rasse besitzt eine mitfühlende Art, die uns geneigt macht, unsere Hundebegleiter wie kleine Menschen zu sehen. Und das unterscheidet den Menschen von anderen “Rudeln”: Caniden haben ganz andere Denkprozesse. Bei jenen muss eine bestimmte Reihenfolge vom Leittier bis auf das Mitglied im niedrigsten Rang sein, jeder hat seinen festen Platz. Die Anführer verleihen dem Verband Stärke, während die anderen Sicherheit und Führung benötigen. Hunde haben einen Instinkt, mit dem sie ständig das Wesen über ihnen kontrollieren.

Der gleiche Mechanismus lässt sie wissen, dass sie selbst immer von rangniedrigeren Artgenossen geprüft werden. Der Instinkt sagt ihnen, wenn das Alphatier keine Stärke zeigt, steht ihr Leben und der Fortbestand des restlichen Rudels auf dem Spiel. Diese Fähigkeit verleiht der Gruppe Sicherheit und Wohlbefinden.

Die Wahrnehmungen von Hunden

Es ist eine bekannte Tatsache, dass der Geruchssinn von Hunden besser ist als der menschliche. Sie haben noch dazu andere Sinne als Menschen, oder mit denen Menschen außer Beziehung stehen. Beispielsweise spüren Hunde Furcht, da sie das Pheromon riechen. Einige Hunde können bereits Minuten vorher “melden”, dass ihr Besitzer unmittelbar davor ist, einen Anfall zu bekommen. Hunde merken genau, wie ein Mensch sich fühlt. Es gibt kein Verstecken. Ein Mensch kann seine Gefühle vor einem anderen Menschen verstecken, aber nie vor einem Hund. Er weiß es einfach.

Es wird gesagt, dass Hunde Energie spüren, aber was bedeutet das? Nach rein wissenschaftlicher Betrachtung erkennt der Hund kinetische Energie mit einer bestimmten Frequenz. Auch Licht, Schall und Wärme sind Schwingungen. Wahrscheinlich sendet unser Körper irgendeine Art von Frequenz aus, die ein Hund erkennen kann. Macht Ihr Hund gerade den Anschein, etwas zu wissen?

Hunde sehnen sich nach Regeln, denen sie folgen und Grenzen, an die sie sich halten müssen. Wenn Hunde mit den Menschen zusammenleben, gehört der Mensch für den Hund zum eigenen Rudel. Damit diese Beziehung funktioniert, muss der Mensch Rudelführer werden. Ein Fehler ist es dem Hund nur Liebe zu schenken, jedoch nicht auf die anderen Bedürfnisse des Hundes zu achten.


Wie nimmt ein Hund menschliche Zuneigung auf?

Hunde lieben Zuneigung, aber das allein macht noch keinen Caniden glücklich und erfüllt nur wenige seiner natürlichen Instinkte. Es ist nicht das, dass sie ausgewogen, sicher und glücklich macht. Sorgen Sie für emotionale Stabilität und einer Rangordnung mit maßgeblichen Regeln – das entspricht der tierischen Natur. Dem Hund Zuneigung zu geben ist wichtig für den Menschen und der Hund genießt es, doch alles zu den richtigen Zeiten. Natürlich haben Hunde Gefühle, aber deren Emotionen sind anders als die bei Menschen. Sie sind einfache Lebewesen mit Instinkten und ihr Mangel an sichtbaren Emotionen läuft über komplexe Denkprozesse. Sie spüren das Gefühl der Freude, wenn sie wissen, dass Sie zufrieden sind. Sie werden traurig, wenn jemand stirbt. Allerdings fehlt die Fähigkeit, vorausschauend zu planen und sie verweilen gedanklich nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft: Hunde leben im Hier und Jetzt – darum können Hunde viel einfacher rehabilitiert werden als Menschen.

Ein Beispiel: Sie hatten Streit mit der besten Freundin. Ihr Hund wird wissen, dass Sie verärgert sind, aber nicht, warum. Ihr Hund kann dieses Ereignis mit seiner Denkstruktur nicht nachvollziehen. Seine Interpretation ist, dass Sie instabile Energie senden und er wird Sie als schwach ansehen.

Ebenso ist es, wenn ein Mensch seine Zuneigung einem Hund zeigt, der gerade aggressiv, zwanghaft, scheu, ängstlich oder hyperaktiv ist.

Denken Sie wie ein Hund!

Durchdenken Sie Ihre Interaktionen mit dem Hund bevor Sie diese durchführen. Wie kommt ihr Verhalten beim Hund an? Was leitet der Hund daraus ab? Kann er Ihre Absichten verstehen oder erreichen Sie mit Ihrem Verhalten genau das Gegenteil? Wenn Sie sich selbst korrigieren können, steht einem entspannten Zusammenleben nichts im Wege.

Ihn umarmen, auf den Kopf klopfen und dabei sagen, dass alles in Ordnung ist, beruhigt den Menschen, aber dies verstärkt den aktuellen Zustand des Hundes. Sie sagen dem Hund damit, es ist OK, so zu fühlen.

Das tierische Lebensmodell

Während ein Mensch meint, seinen Vierbeiner zu trösten, sieht der Hund Ihr Verhalten als Schwäche: Sie stellen nicht die starke Energie bereit, wovon der Hund profitieren könnte. Wenn Ihr Hund eine traumatische Erfahrung hatte und Sie ihm während dieser Zeit versuchen zu trösten, mauern Sie das Tier in seiner seelischen Not ein. Später, wenn Ihr Hund nochmals mit dieser traumatischen Situation in Berührung kommt, und Sie trösten ihn erneut, wird dies die Situation noch verschärfen. Die Probleme erstellen Sie. Hunde kennen Mitgefühl und Zuneigung nicht in der gleichen Art, wie wir Menschen. Hunde sind immer auf der Suche nach einem überlegenen Individuum, von dessen Kraft sie zehren können.

Anders herum: Wenn ein Hund sich ständig auf den Schoß setzt und seine Pfote auf Sie legt, mit der Nase stupst, damit Sie ihn streicheln, und Sie immer in irgendeiner Weise berührt, ist das nicht Ihr Hund, der Sie so sehr liebt, sondern zeigt dominantes Verhalten. In der Hundewelt bedeutet räumlicher Abstand Respekt. Ein Hund, der Sie ständig anstupst und sich an Sie schmiegt, ist nicht nur respektlos gegenüber Ihnen, sondern sieht sich selbst als den Alpha-Hund.

Dies gilt auch für Hunde mit medizinischen Problemen. Beispielsweise nach einer Operation tut Ihnen der Vierbeiner leid, doch gerade jetzt braucht er einen starken Rudelführer, dessen Kraft er aufnimmt, mehr denn je. Sie hingegen erscheinen im Bewusstsein Ihres Hundes als schwächer.

Rangordnung und Trennungsangst

Wenn Sie gegenüber dem Hund Schwäche zeigen, übernimmt dieser instinktiv die Rolle des Führers, ob er will oder nicht. In einem Rudel muss es unbedingt eine starke Führungspersönlichkeit und eine feste Ordnung geben. Wenn er das Gefühl hat, er ist nicht stark genug, um die Rolle des Führers zu übernehmen, kann es sehr anstrengend sein. Er trägt eine schwere Last auf seinen Schultern, nach allen Familienmitgliedern zu schauen. Menschen geben dem Hund oftmals gemischte Führungs-Signale, die den Hund aus dem Gleichgewicht bringen und seine Psyche verwirren – das ist die Ursache vieler Verhaltensprobleme bei Hunden.

Psychische Anspannung und aufgestaute Energie führen zu den bekannten Auffälligkeiten: das Geschäft im Haus verrichten, Zwangsstörungen, neurotische Verhaltensweisen, Kauen eigener Körperteile, übermäßiges Bellen oder Jammern, Kommandos des Besitzers nicht folgen, weglaufen, den Papierkorb ausräumen, Dinge im Haus zerstören, zwanghaftes Graben, den Schwanz jagen, Aggression gegenüber anderen Hunden, Tieren oder Menschen, beißen, knurren… einfach alles Unkontrollierbare. Fast jedes Problem ist wahrscheinlich rückführbar auf die Art und Weise, wie der Besitzer seinen Hund behandelt.

TrennungsangstDies ist übrigens auch die häufigste Ursache von Trennungsangst. Der Rudelführer darf die Gruppe verlassen, aber niemals die Mitglieder das Alphatier. Wenn Ihr Hund Sie instinktiv als ihm unterstehendes Rudelmitglied einstuft, kann er durch Ihr Weggehen solche psychischen Qualen aufbauen, dass er seinen Frust an der Wohnungseinrichtung oder an sich selbst auslässt.

Der ausgedehnte Spaziergang ist ein wichtiges Ritual, um den Vierbeiner psychisch zu stabilisieren. Hunde sind aufgrund ihrer Veranlagung Wanderer, Hundemeuten stehen früh auf und gehen zu Fuß. Mit einem großen Garten ist dieser Instinkt nicht so einfach zu befriedigen. Für Ihren Hund ist das Gelände wie ein großer Käfig, in dem er gefangen ist. Bei den täglichen Ausflügen hingegen lösen sich körperliche und mentale Energien. Dabei sollte das Tier neben Ihnen oder hinter Ihnen, niemals vor Ihnen laufen. Das mag für den Besitzer kleinlich aussehen, aber es bedeutet eine Menge im Kopf eines Hundes. In der Hundegesellschaft geht der Führer voran. Wenn Sie mit Ihrem Hund gehen, sollte er nicht machen, was er möchte, sondern sich auf seinen Halter konzentrieren. Ein Mangel an Bewegung und Unterforderung kann viele Verhaltensprobleme bei einem Hund verursachen. Den Hund richtig an der Leine zu führen, ist nicht so schwierig, wie es scheint.

Wenn der Hund etwas Unerwünschtes tut

Hunde nehmen die Energie ihrer Menschen auf. Sie können Ihnen sagen, ob Sie aufgeregt, nervös, ängstlich oder ruhig sind. Sie werden mit Ihrem Hund erfolgreich kommunizieren, wenn sie anstelle aufgeregter Wörter Ihre Körperenergie verwenden. Zum Beispiel, wenn Ihr Hund etwas falsch gemacht hat und Sie schreien ihn an oder schlagen ihn sogar, verwirrt das den Hund. Das ist nicht die Art, wie ein Rudelführer seine Anhänger korrigiert.

Besser nähern Sie sich in einer sehr selbstbewussten und ruhigen Art und Weise, um den Hund im Moment seiner Schandtat mit klarer Stimme anzusprechen oder ihm einem Klaps auf den Hals geben, wird der Canide das verstehen, weil Sie seine Körpersprache imitieren. Wenn Sie möchten, dass Ihr Hund etwas tun oder lassen soll, müssen Sie zuerst sich selbst davon zu überzeugen, dass es auch so passieren wird. Bleiben Sie ruhig und selbstbewusst, damit der Hund Ihre Emotion aufnimmt. Damit der Hund sein Tun und Ihre Reaktion verknüpft, muss die Korrektur zum Tatzeitpunkt erfolgen.

Wir Menschen haben erfolgreich den Hund domestiziert, aber wir werden nie in der Lage sein, einem Hund das Tiersein abzugewöhnen und seine natürlichen Instinkte zu entfernen. Wir können einem Hund keine menschlichen Eigenschaften antrainieren, sondern wir fördern damit das Entstehen von Verhaltensproblemen. Während wir denken, dass wir mit unserem Verhalten einen Hund glücklich machen, erreichen wir damit genau das Gegenteil. Durch Nichterfüllen natürlicher Instinkte des Hundes schaffen wir unsichere und unglückliche Haustiere. Um mit dem besten Freund des Menschen gemeinsam zu leben, müssen wir lernen, unsere Hunde zu verstehen und IHRE Bedürfnisse erfüllen, anstatt vornehmlich an uns selbst zu denken.

 

Bilder: © Depositphotos.com /IgorVetushko / mychuchi